Belzec

Beginn der »Endlösung«

Das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau steht allgemein als Symbol für den systematischen Völkermord an den Juden. Dabei wird oft übersehen, dass im Rahmen der „Aktion Reinhardt” in den Vernichtungslagern Belzec, Sobibor und Treblinka zwischen 1942 und 1943 mehr als eineinhalb Millionen Juden ermordet wurden, die Zahl der Opfer dort also noch höher war als in Auschwitz.

Aus Treblinka und Sobibor konnten durch Aufstände mehr Häftlinge entkommen und nach dem Krieg berichten, aus Belzec sind nur drei Überlebende bekannt. Einer von ihnen, Rudolf Reder, er legte nach dem Krieg Zeugnis über das Erlebte ab.

Erarbeitet von den „Euthanasie-Spezialisten“ der T4-Aktion

Vernichtungslager der Aktion-Reinhardt

Nachdem die NS-Führung im Verlauf des Jahres 1941 die ursprünglichen Pläne einer “Aussiedlung” aller Juden aus Europa verworfen und statt dessen ihre Ermordung beschlossen hatte, wurde nach geeigneten Orten für dieses Vorhaben gesucht. Im Herbst 1941 beauftragte der Reichsführer SS und “Chef der deutschen Polizei, Heinrich Himmler, den SS- und Polizeiführer des Distrikts Lublin im “Generalgouvernement”, Odilo Globocnik mit der Vorbereitung der “Endlösung der Judenfrage”. Mitte Oktober 1941 begann Globocnik in Lublin den Stab der „Aktion Reinhardt“ zu formieren.
Insgesamt bestand der Stab der „Aktion Reinhardt“ aus 453 Offizieren und Unteroffizieren des SS, die für die Vernichtung der im Generalgouvernement lebenden Juden verantwortlich waren – der Vernichtung von fast zwei Millionen Menschen.

Als Ort des Beginnes der „Endlösung“ wurde Belzec ausgewählt, ein kleiner abgeschiedenen Ort an der Bahnlinie Lublin – Lemberg. Belzec lag an der Grenze der Distrikte Lublin, Galizien und Krakau, einem Gebiet in welchen rund eine Millionen Juden lebten.
Die Konzeption des Vernichtungslagers in Belzec erarbeiteten „Euthanasie-Spezialisten“, die von 1939 bis 1941 an dem Massenmord von Kranken, körperlich und psychisch Behinderten und dem Decknamen „T4-Aktion“ auf dem deutschen Reichsgebiet beteiligt gewesen waren.
Am 1. November 1941 wurden die Bauarbeiten für das Vernichtungslager aufgenommen, die gesamte Fläche des Lagerbereichs umfasste 7,3 Hektar.
Mitte Dezember waren bereits Entkleidungsbaracken und die ersten Gaskammern errichtet.
Das Lager wurde in zwei Bereiche unterteilt, in das sogenannte „Unteres Lager“ wo die Transporte ankamen, in welchen bis zu 40 Waggons gleichzeitig „abgefertigt“ werden konnten. Im Unteren Lager befand sich zudem das Eingangstor, Verwaltungsgebäude, und Unterkunftsbaracken.
Im zweiten Teil des Lagers, dem „Oberen Lager“ befand sich der eigentliche Vernichtungsbereich.
Die einzige Verbindung zwischen beiden Lagerbereichen bildete ein Gang, der sogenannte “Schlauch”, der von dem “Entkleidungsbereich” des ersten Lagerabschnitts direkt zum Eingang der Gaskammern führte. Der „Schlauch“ war zwei Meter breit und beidseitig von drei Meter hohen Stacheldraht eingezäunt, welcher mit dichten Zweigen getarnt wurde. Im Sommer 1942 wurde dieser durch einen drei Meter hohen Holzzaun ersetzt.

Da das Lager Belzec das erste seiner Art war, hatte es den Charakter eines „Versuchslabors“. Selbst der Lagerkommandant Wirth betrachtete Belzec als Versuchsfeld für die Methoden zur Umsetzung der „Endlösung“. So wurde bei den ersten Vergasungen noch mit Kohlenmonoxid aus Flaschen „Experimentiert“.
Da sich dies als nicht „Effektiv“ erwies, wurde hinter dem Gebäude der Gaskammern ein Motor eines sowjetischen Panzer installiert, vom welchen aus die Abgase über Rohre eingeleitet wurden.
Die ersten großen Deportationen aus dem Ghetto in Lublin und Lemberg trafen am 17.März 1942 in Belzec ein. Dieses Datum gilt als offizieller Beginn der „Aktion Reinhardt“, der systematische Ermordung von über zwei Millionen Juden und ca. 50.000 Roma aus den Distrikten des Generalgouvernements (Warschau, Lublin, Radom, Krakau und Galizien) in den drei Vernichtungslagern Belzec, Sobibor und Treblinka.
Die Deportation erfolgte in Güterwaggons wobei die Kosten für den Transport von dem geraubten Geld der Opfer bezahlt wurde – somit zahlten diese selbst Ihre Fahrt in den Tod.
Allein im August 1942 wurden im gesamten Generalgouvernement rund 350.000 Menschen in den Tod deportiert, davon über 130.000 in das Vernichtungslager Belzec.

Bericht des Leutnants der Schutzpolizei der Reserve und Kompanieführer Westermann über den Ablauf der Deportation der Juden aus Kolomyja und Umgebung in das Vernichtungslager Belzec vom September 1942.

Nach der Ankunft und dem „entleeren“ der Waggons mussten sich die Opfer auf dem Platz vor der Rampe aufstellen, hier hielt ein Angehöriger der Lager-SS eine Rede. Er verkündete den Ankommenden, sie hätten ein “Durchgangslager” erreicht, müssten nun duschen und würden anschließend mit neuer Kleidung in ein Arbeitslager überstellt.
Nach dem Entkleiden wurden den Frauen die Haare geschoren, währenddessen wurden die Männer in die Gaskammern getrieben. Die Männer wurden zuerst getötet, damit sie keinen Widerstand leisten konnten, wenn sie die Schreie der Frauen und Kinder in den Gaskammern hörten.
Wurden die Türen der Gaskammern geöffnet, fand man die Körper ineinander verkeilt. Sie waren beschmutz mit Urin, Exkrementen und Frauen oft mit Menstruationsblut. Häftlinge des Sonderkommandos zogen die Leichen einzeln heraus. Auf den Weg zu den Gräbern wurden sie von den sogenannten Zahnärzten durchsucht, die ihnen Goldzähne und Brücken aus den Mündern brachen und alle Körperöffnungen nach versteckten Wertsachen durchsuchten.
Die Vernichtung der Deportierten eines Transportes dauerte von der Ankunft bis zum Ablegen der Leichen im Massengrab ca. drei Stunden.

Nachdem im Dezember 1942 die Vergasungen in Belzec eingestellt wurden, begann man mit der Exhumierung und den verbrennen der Leichen. Im April 1943 waren alle Leichen verbrannt, die SS ließ das Lager zerstören und auf dem Gelände einen Bauernhof errichten.

Belzec - Vernichtungslager Hoefle-Telegram

(Quelle: Wikimedia/Public Domain)

Das Kürzel “L” steht im Telegramm für Lublin/Majdanek, “B” für Belzec, “S” für Sobibór und “T” für Treblinka. Allesamt Stätten der “Aktion Reinhard”, des Massenmords an den Juden.

Die Gedenkstätte in der heutigen Form wurde nach umfangreichen archäologischen Untersuchungen in den Jahren 1997 – 2002, feierlich am 3. Juni 2004 dem Museum Majdanek in Lublin übergeben.

Gedenkstätte - Belzec

Literatur

Robert Kuwalek
„Das Vernichtungslager Bełżec“

Sara Berger
“Experten der Vernichtung: Das T4-Reinhardt-Netzwerk in den Lagern Belzec, Sobibor und Treblinka”

Nikolaus Wachsmann
“KL. Die Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager”


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